Zug und die Kirschen

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Recherchereise in die Schweiz: Zug und seine Kirschen


Letzte Woche haben wir euch ja bereits von unseren ersten beiden Tagen in der Schweiz berichtet. Heute gibt es den zweiten Teil unserer Recherchereise – wir sind nämlich am letzten Tag unseres Aufenthalts von Zürich aus mit dem Zug nach Zug gefahren.
Das kleine, 30 Minuten von Zürich entfernte Städtchen ist vor allem für eines bekannt: seine Kirschen und alles, was sich daraus produzieren lässt. Und um auch garantiert die tollsten Betriebe der Gegend zu finden, wurden wir von Zug Tourismus am Bahnhof in Empfang genommen. Gleich in der Früh gab es einen kurzen Spaziergang durch das Städtchen, am schönen Zuger See entlang und durch die Altstadt. Als wir um eine Straßenecke in der netten Altstadt bogen und dort einen Fleischer erspähten, mussten wir natürlich gleich mal rein und schauen, ob es nicht eine unbekannte Delikatesse zu entdecken gibt. Und wir wurden nicht enttäuscht, sondern lernten gleich mal, was es mit der ominösen „Chriesiwurst“ auf sich hat. Einer was? Na, lest mal weiter.

Das Wort Chriesi war uns bis dato absolut unbekannt. Liegt eventuell auch daran, dass wir vorher noch nie in Zug waren. Chriesi bedeutet soviel wie Kirsche, das Umland um Zug wird deswegen auch „Chriesiland“ genannt. Eine besondere Delikatesse ist eben die Chriesewurst, eine rote Bratwurst, die mit getrockneten Kirschen verfeinert wird. Dass man hier aus Kirschen so gut wie alles macht (Likör, Schnaps, Marmelade, ja sogar Sekt) ist ja nicht weiter verwunderlich. Dass es aber sogar eine Bratwurst mit Kirschen gibt, hat uns dann aber doch überrascht. Kurz zur Geschichte der Zuger Kirsch-Kultur:

„Die «Zuger Kirschen Kultur» ist nachweislich rund 400 Jahre alt, die Stadtzuger Bräuche (Chriesigloggä, Chriesisturm, Chriesimärt) rund ums Chriesi sind wohl die ältesten der Schweiz. Ab 1870 wird der Zuger Kirsch in die ganze Welt exportiert und festigt so den ausgezeichneten Ruf der Zuger Kirschenprodukte. 1915 kommt die erste Zuger Kirschtorte in den Verkauf und erreicht internationale Anerkennung. 2009 wird mit der Zuger Chriesiwurst eine neue Kirschenspezialität lanciert, die innert kurzer Zeit schweizweit und über die Landesgrenzen hinaus für Furore sorgt. Und seit 2012 wird in der Region rund um den Zugersee das neue Zuger Chriesibier ausgeschenkt.“ (Zitat von zugerchriesi.ch )

Zu der Kirschtorte kommen wir später, denn unser erster Stopp führte uns zu einem Obst-Hof, welcher sich (natürlich) hauptsächlich mit dem Anbau und der Verwertung von Kirschen beschäftigt.

Hof Märcht – Der Hotzenhof

Nicht mehr als 10 Autominuten von der Innenstadt entfernt liegt der Hotzenhof, ein Familienbetrieb, welcher sich auf den Anbau von Kirschen spezialisiert hat. Die Sonne schien und wir wurden im Hof mit einem (natürlich komplett aus Eigenproduktion gefertigten) Kirschsekt empfangen. Wunderbar! Und damit der Alkohol nicht direkt in den Kopf steigt, bekamen wir auch noch einen selbst gebackenen Butterzopf der Hofherrin zu kosten. Und dann ging es auch schon zu Fuß quer durch die Felder.

Um die 300 bis 350 Tonnen Früchte werden pro Jahr am Hotzenhof geerntet. Eine riesige Menge für so einen kleinen Familienbetrieb, wie wir finden. Und ein paar Hochlandrinder gibt es nebenbei auch noch, von denen werden im Jahr aber lediglich 2–5 geschlachtet. Also, ab zu den Kirschbäumen. Aber Kirsche ist nicht gleich Kirsche. Unterschieden wird zwischen den großen Tafelkirschen und den kleineren, welche für Likör, Schnaps und Marmelade verwendet werden. Die Tafelkirschen-Bäume stehen, geschützt durch Netze, in Reih und Glied. 4 Jahre dauert es, bis ein Baum die erste Ernte abwirft. Die Bäume werden auf Hochdämmen gepflanzt, sodass das Wasser nie an den Wurzeln stehen bleibt. Ein großer Aufwand, der natürlich auch mit hohen Kosten verbunden ist. Ca. 130.000 Franken pro Hektar muss man rechnen und somit wird auch klar, dass man diese großen Tafelkirschen nicht einfach so zum Schleuderpreis beim Discounter bekommt.

Auf 12 Hektar Eigenland und einigen Hektar Pachtland wird angebaut, wobei sich ein kleines Team von ca. 5 Mitarbeitern darum kümmert. Dazu kommen 10 Teilzeitkräfte, welche auf den Märkten im Umland die tollen Produkte an den Mann (oder die Frau) bringen.

Wusstet ihr eigentlich, woher die unschönen Risse kommen, welche man öfter mal in Kirschen findet? Die entstehen, wenn die Kirschbäume nicht mit Folie abgedeckt sind (weshalb sie beim Hotzenhof eben auch abgedeckt werden), denn wenn der Regen auf die Kirschen kommt, saugen sich diese mit Wasser voll und die Haut platzt auf. Die Ernte ist übrigens komplette Handarbeit, allein eine Ernteplattform, auf welcher 4 Personen (2 links und 2 rechts) Platz finden hilft, denn das Pflücken auf einer Leiter wäre zu unsicher.
Aus den aromatischsten Kirschen Cordia und Regina, beides Spätfrüchte, wird der leckere Kirschsaft gemacht, den es, neben hervorragendem Apfelsaft aus Eigenbau mittags zu trinken gab.

Und wenn jetzt wieder die Frage nach „Bio“ kommt, muss ich euch leider etwas enttäuschen: Denn Kirschen biologisch anzubauen und dabei wirtschaftlich zu sein ist so gut wie unmöglich. Grob geschätzt hätte man bei Biologischem Anbau von 10 Jahren Ernte etwa in 2 Jahren Erfolg – sozusagen ein „Zufallsprodukt“. Denn bei dem vorherrschenden Klima mit sehr viel Niederschlag zusammen mit weit verbreiteten Schädlingen und Pilzen würden die Bio-Kirschen wohl mehr verfaulen, als dass man sie ernten und essen könnte. Vor allem beim Pilz ist dies besonders kritisch, denn wenn der Baum einmal befallen ist, kann man nichts mehr machen. Hier heisst also die Devise: Vorbeugen rettet die Ernte. Trotzdem achtet man am Hotzenhof natürlich auf minimalen Einsatz von Spritzmitteln und konzentriert sich eher auf vorbeugende Maßnahmen sowie natürliche Mittel zum Insektenschutz wie Fressfeinde und Gelbfallen.

Die Hochstammbäume mit den kleinen Kirschen geben übrigens erst nach 15 Jahren einen Ertrag – somit ist das Pflanzen eines neuen Hochstammbaumes wohl „eher etwas für die nächste Generation“.
Der Kirschschnaps (umgangssprachlich „der Kirsch“) wird übrigens seit 20 Jahren hier produziert, ausgebaut natürlich – wie sollte es anders sein – im Kirschenholzfass.

Bei soviel Information stellte sich bei uns allen langsam ein Hungergefühl ein und was machte der Hausherr dagegen? Er warf für uns den Grill an,  denn nun – endlich – war es so weit und wir durften die berühmte Chriesiwurst (Kirschwurst) kosten. Bernadette hatte ein tolles Salatbuffet vorbereitet, dazu die knackige Wurst vom Grill und das ganze serviert in der alten Schnapsbrennerei – so kann man sich eine Mittagspause gefallen lassen. Übrigens isst man zur Kirschwurst keinen Senf – durch die Kirschen allein ist diese so saftig, dass man den auch gar nicht vermisst.

Gestärkt durch die leckere Chriesiwurst, ging es direkt noch in die Hofküche. Hier produziert Bernadette Hotz ihre Köstlichkeiten für den Hofladen, ganz vorne dabei natürlich die Kirschmarmelade. Entsteinen muss sie Gott sei Dank nicht selber, das erledigt eine Maschine (80–100 kg Kirschen in der Stunde), das Einkochen ist aber schon aufwendig genug. Wusstet ihr eigentlich, dass man die Kirschen für Destillat (Schnaps) nicht entkernen muss?

Und dann durften wir der perfekt durchorganisierten Bernadette zusehen, wie sie für uns in ihrer lupenrein sauberen Küche (darauf legt sie sehr viel Wert) Kirschmarmelade einkocht und abfüllt. Vor allem von den eigens für uns erstellten Marmeladen-Etiketten waren wir schwer begeistert – so viel Mühe und Liebe muss definitiv gelobt und wert geschätzt werden! Vielen Dank an dieser Stelle an die ganze Familie Hotz für die tollen Stunden auf dem Hof, die leckere Verpflegung und die Marmelade … die ist übrigens schon aufgegessen.

Die Zuger Kirschtorte: Konditorei Treichler

Aber was wäre ein Besuch in Zug ohne die berühmte Zuger Kirschtorte probiert zu haben? Das dachte auch unsere Reiseveranstalterin von Zug Tourismus und wir fuhren zum letzten Stopp unserer Tour noch zur Konditorei Treichler. Denn „Wie kommt der Geist in die Kirschtorte?“ – Dieser Frage konnten wird auf den Grund gehen. Dem neu umgebauten Lokal der Konditorie Treichler – dem Erfinder der Zuger Kirschtorte (so wird es überliefert) haben wir also einen Besuch abgestattet. Und wisst ihr was? Ich habe selten so ein stimmiges und schön umgesetztes Designkonzept gesehen! Von der Gestaltung des Innenraums bis hin zum Verpackungsdesign sah alles so ansprechend aus, dass man am liebsten direkt von jedem etwas mitgenommen hätte. Keine Spur vom angestaubten Image so mancher hiesiger Traditionskonditorie. Besonders gefreut hat es uns, dass sich der Chef persönlich den ganzen Nachmittag für uns Zeit genommen hat! Vielen Dank an dieser Stelle an Bruno Heini, Inhaber der Konditorei Treichler und selbst natürlich Konditor mit Leib und Seele, für diesen grandiosen Nachmittag!

Erstmal gab es einen schnellen Espresso im Kaffee und eine kleine Einführung in die Geschichte der Zuger Kirschtorte. Bruno Heini, Inhaber der in Luzern ansässigen Konditorei Heini, hat die Konditorei Treichler samt dem Rezept für DIE Kirschtorte übernommen, nachdem der Inhaber, Herr Treichler, sehr früh verstarb und seine Frau nach einiger Zeit das Lokal verkaufte. Als gelernter Konditor beschäftigt Herr Heini alleine 6 Mitarbeiter, die sich in Zug ausschließlich um die Produktion der Kirschtorte kümmern. Alles andere, was in Zug verkauft wird, wird in Luzern produziert und geliefert. Die ganze Backstube in Zug steht also unter dem Wappen der Kirschtorte.

Übrigens haben wir im Geschäft auch die Kirschbar erspäht. Hier wird der Kirsch (Schnaps) präsentiert. Die teuerste Flasche kostet übrigens 66.000 Franken! Ein sortenreiner Brand in Erstabfüllung. Die Preise hierfür legt übrigens nicht Herr Heini fest, sondern er wird von externen Spezialisten und Kirschsammlern festgelegt – fast so wie bei einem alten Möbelstück oder Kunstwerk.

„Wieviele Kirschtorten verkaufen Sie denn am Tag?“, wollte ich wissen. Die Antwort „200–500 Stück“  haute mich ganz schön um!

Wir dachten, jetzt gibt es ein Stück Torte zum Verkosten. Ha! Falsch gedacht. Herr Heini hat sich etwas einfallen lassen, mit dem wir nie gerechnet hatten. Auf ging es zu Fuss in die nahe gelegene Backstube, denn: Jeder durfte nun seine eigene Kirschtorte machen! Grandios!! Ich war im 7. Himmel und als ich den Chefkonditor gesehen habe (genau so stelle ich mir einen Konditor vor) konnte ich es nicht mehr erwarten, die Schürze anzuziehen und loszulegen. Das Rezept der Kirschtorte ist nicht, wie man vielleicht meinen könnte, unter Verschluss und wird geheimgehalten, damit ja niemand etwas nachmacht. Wir finden das sehr sympathisch und kennen es jetzt natürlich auch.

Die Bisquit-Böden standen schon bereit und die Crèmes waren schon angerührt, also durften wir sofort starten.
Als die erste Schicht mit Knusperboden, Crème und Bisquit fertig war, kam das wichtigste: Ein Metallring wurde auf den Bisquit gesetzt und dann wurden 220 ml Kirschlikör (Kirsch vermischt mit Zucker) darüber verteilt, sodass er langsam einsickern konnte. Da wird man schon beim Zusehen beschwipst. Zwischendurch gab es als Stärkung natürlich auch ein Stückchen fertige Torte zum Probieren.

Und was haltet ihr von unserem eigenen Ergebnis?
Tipp: Der Puderzucker, den man ganz am Schluss darüber stäubt ist eigentlich Puderschnee, mit Stärke vermischter Puderzucker. Warum? Dadurch zieht das Topping kein Wasser und kann kühl aufbewahrt werden, ohne dass die Feuchtigkeit die Puderschicht in einen Gatsch verwandelt.

Und da wir jeder eine Torte mitnehmen durften, wurde sie für uns noch ganz fix tiefgefroren, während wir uns im Keller den Kirschtank anschauen durften. Da liegt übrigens eine Jahresmenge (ca. 10.000 l) auf Lager! Nur so kommt man nicht in Bedrängnis, muss nicht „jedes Produkt“, sprich auch schlechte Qualitäten annehmen. Der Likör besteht immer aus einer Mischung verschiedener Kirschschnäpse und dafür wird jeder Kirsch einzeln ausgewählt, jede Lieferung verkostet und dann entschieden, ob die Qualität dem Standard der Konditorei entspricht.
Damit wir unsere Torte auch unbeschadet nach Wien transportieren konnten, durften und mussten wir sie natürlich auch noch selbst verpacken – ganz so wie die Exemplare im Laden.

Ein grandioser Tag ging zu Ende, und mit dem Zug direkt zum Flughafen gefahren, hatten wir dann noch etwas Bedenken, ob wir unsere Torte denn wirklich als Handgepäck mitnehmen durften. Vielen Dank an die SWISS Airline – denn wir durften! Es wäre auch sehr, sehr schade gewesen, wenn wir sie hätten am Flughafen stehen lassen müssen.

Vielen Dank noch einmal an den Zug Tourismus, welcher uns diesen tollen Tag organisiert hat und natürlich an die Agentur Häberlein & Maurer, welche die ganzen 3 Tage in der Schweiz für uns organisiert hat. Wir hatten einen grandiosen Montag in Zug!

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